Entlang des kraftvollen, humanistisch besetzten, Begriffs „Widerstand“ entsteht auf der Wieden der positiv geprägte Gegenort „Wiednerstand“ – ein Kultur- und Demokratie-Festival, das sich politischer Kunst, konstruktiver Streitkultur und den Errungenschaften der Demokratie verpflichtet fühlt. Besondere Orte des Bezirks laden zu räumlichen Entdeckungen und niederschwelligem Austausch ein.
„Wiednerstand“ ist ein sehr unaufgeregtes Format und das ist gut so. Es sucht ganz bewusst das Wechselspiel zwischen Diskurs, Kunst und Kulturbeiträgen“, sagt der Kulturmanager und Autor Fabian Burstein, der „Wiednerstand“ gemeinsam mit dem Künstler und Kurator Thomas Andreas Beck konzipiert hat. Im Rahmen von „Wiednerstand“ finden ganz unterschiedliche Mitwirkende ihren Platz: Das Spektrum reicht von der Publizistin und Philosophin Isolde Charim über die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl bis hin zu Musikern wie Der Nino aus Wien, der im U1-Café (Taubstummengasse 17) auftreten wird.
Literaturworkshop für Kinder
In der Cselley-Mühle in Oslip gab es im Jahr 2023, von Thomas Andreas Beck entwickelt, das Symposion „Österreich ist frei“ mit Musik und Lesungen und kulturellen Bildungsformaten rund um das Thema Demokratie. Das aktuelle Festival im 4. Wiener Gemeindebezirk greift bewährte Ansätze des Symposions auf und verknüpft sie mit kulturellen Bedarfen des 4. Wiener Gemeindebezirk – dementsprechend entstand das Format in Zusammenarbeit mit der Bezirksvertretung. Für Kinder und Jugendliche gibt es den Schreibworkshop „Das Buch meines Lebens“: mit der Autorin Brigitta Hoepler setzen sie sich mit ihren Lieblingsbüchern auseinander. „Das Festival ist ein in sich zyklisch gedachtes, schlüssiges Ritual: mit Ankommen, Impulsen und feierlichem Abschluss“, sagt Thomas Andreas Beck und Fabian Burstein ergänzt: „Wir möchten dazu beitragen, dass ein bis zwei interessante Impulse zum Thema Demokratie hängen bleiben, die sich in den Köpfen der Menschen verstetigen und das Leben im Grätzl bereichern.“ (jm, Foto: Sabine Hauswirth)
Der Autor und Liedtexter Herbert Hirschler begibt sich alle paar Jahre auf Wanderschaft, mit dem Ergebnis: ein neues Buch. Hirschler beschreibt in seinem aktuellen Werk mehrere Wege, etwa die bekannte Rota Vicente, den so genannten Fischerpfad und den klassischen Pilgerweg („Caminho de Fátima“) zum bekannten Ort Fátima. Dort befindet sich eine katholische Wallfahrtsstätte, im Jahr 1917 ist hier die Jungfrau Maria erschienen.
Hirschlers Wanderbericht ist sehr persönlich, gespickt mit lustigen Erlebnissen und sehr direkt geschrieben; er ist der Ich-Erzähler und beschreibt Tagesetappen genauso wie diverse Begegnung – zum Teil in Dialog-Form, das macht das Erlebte noch greifbarer. Ein lesenswertes Buch für PilgerInnen, Wanderer und alle, die zu Fuß losziehen wollen. (jm)
Herbert Hirschler: „Himmel, Herrgott, Fatima. Der schönste Pilgerweg Portugals“ (Ueberreuter 2024, 223 Seiten)
Im Rahmen des Symposiums „One Week Peace“ ist im Juli 2024 auf Burg Raabs (NÖ) das Theaterstücks „Brief vom Vater“ zu sehen. Die Vortragsreihe „Study of Resistance“ gibt es am 20. Juli in Zwettl.
Das Stück „Brief vom Vater“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Gabriele Kögl: ein Werk über Orte und Plätze, anhand derer das Leben sichtbar wird. Kögl eignet sich das Innerste ihrer Charaktere an und erzählt gleichzeitig klar und mit Distanz über das Sterben der Städte und Menschen. Ihre weibliche Heldin ist dabei kein Opfer. Sie trägt stark und stoisch einen Schicksalsschlag nach dem anderen und lebt ihr Leben. Die Autorin wurde vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Eurodram 2020 und dem Prix Europa 2019.
Vorträge und Konzert am 20.7.2024
In Zwettl kann am Samstag den 20. Juli 2024 die Vortragsreihe „Study of Resistance“ besucht werden. In diesem Rahmen wird zum Beispiel Elisabeth Eckhart zum Thema „Das Private ist politisch – Gewalt im Kontext der Geschlechterverhältnisse“ sprechen. Und Martina Kainz wird sich mit dem Thema „Hass, Misogyne und Mobbing in sozialen Netzwerken – aktuelle Entwicklungen und effiziente Strategien der Gegensteuerung“ befassen.
Den Ausklang dieses Tages gibt es am Bahnhofsgelände des Museums Lokalbahn Verein Zwettl, bei Kaffee und Kuchen und einem Rahmenprogramm (Bahnhofstraße 30, 3910 Zwettl): Führungen mit Karl Wasinger am Bahnhofsgelände zum Thema „Eisenbahn und Militär“, sowie ein Konzert am Bahnhofsgelände mit Pamelia Stickney und Hans Tschiritsch & Chi Rich. (jm)
„Brief vom Vater“ (Fr 12.7.2024, Sa 13.7.2024, Beginn: 19 Uhr / Einlass: 18 Uhr)
Eintritt: VVK €20, per e-mail: soak.bvs@gmail.com / Abendkassa: €25
Wo: Burg Raabs, A-3820 Raabs an der Thaya
Sa 20.7.2024: „Study of Resistance“, sparkasse.event.raum, Sparkassenplatz 1, 3910 Zwettl, Beginn: 10 Uhr, Eintritt frei
Das Stück „Memory of Mankind“ von Marcus Lindeen und Marianne Ségol wurde im Rahmen der Wiener Festwochen an einem ganz besonderen Platz gezeigt: im Jugendstiltheater am Otto Wagner-Areal, gleichsam mit Blick auf den Spiegelgrund. Somit der passende Ort für einen Abend, der sich mit dem Thema Erinnerung auseinandersetzt.
Ein Forscher, der queere Archäologe betreibt, und gleichsam dafür argumentiert auch queeren Menschen einen Platz in der Geschichte zu geben. Ein Mensch, der immer wieder unter Amnesie leidet, sich aber nach jeder Episode erneut in ein und dieselbe Frau verliebt. Und ein Archivar, der das Wissen der Menschheit auf Keramik-Tafeln gebannt, in einem Salzstollen in Hallstatt lagern möchte. Im Stück „Memory Of Mankind“ sprechen und philosophieren diese vier Figuren über ihre Zugänge zum Thema Erinnerung – auf kluge Weise, sodass das Publikum dazu verleitet wird, selbst über diese komplexen Fragestellungen nachzudenken: woran soll man sich erinnern? Was ist nicht erinnernswert? Wer entscheidet darüber? Ein toller Abend im charmant-morbiden Ambiente des Jugendstiltheaters.
Workshop im Volkskundemuseum
Am 13. und 14. Juni 2024 findet im Volkskundemuseum der Workshop "(Anti-)Repression proben" statt. Zum Hintergrund: Überall nimmt die Unterdrückung von Aktivismus zu, es wird alles dafür getan, damit die Menschen vor Kampfmaßnahmen zurückschrecken. Eine der besten Waffen dagegen ist, darauf vorbereitet zu sein; das Theater ist dabei ein gutes Instrument, um Repression zu proben. In diesem Workshop werden die Teilnehmer:innen trainiert, Situationen von Polizeigewahrsam und Verhören nachzustellen, um Aktivist:innen auf eine eventuelle Verhaftung vorzubereiten, indem sie nicht nur ihre gesetzlichen Rechte kennenlernen, sondern auch die körperliche Erfahrung machen, in einer Polizeistation festgehalten zu werden. Mit Servane D., Isabelle Fremeaux und Jay Jordan kommen drei Bewohner:innen der in Frankreich gelegenen, autonomen, gemeinschaftlichen Zone à défendre (Zad, dt. zu verteidigende Zone) nach Wien. In zwei Workshops und zwei Gesprächsformaten bieten sie Trainings für (Anti-)Repression, vermitteln Werkzeuge für einen regenerativen Aktivismus, geben Einblicke in die Massenbewegung Les Soulèvements de la Terre, die in der Zad entstanden ist, sowie in den künstlerischen Widerstand und die fröhlichen Formen des Ungehorsams, welche das Laboratory of Insurrectionary Imagination (Labofii) seit 2004 praktiziert. (jm, Foto: Beatrice Borgers, Laboratory of Insurrectionary Imagination)
Am 5. Juni 2024 ist im Rahmen der Wiener Festwochen noch ein Mal das Theaterstück „The Making Of Berlin“ zu sehen. Und von 6. bis 8. Juni 2024 läuft im Jugendstil-Theater „The Memory Of Mankind“.
Das Stück von Yves Degryse zeigt – nach „Lacrimas“ – eindrucksvoll, was modernes Theater auch sein kein: eine Mischung aus Videoinstallation, Film, Live-Musik und anderen Projektionen. Entstand bei „Lacrimas“ noch der Eindruck, man befände sich auf einem Filmset, so war es bei „The Making Of Berlin“ genau umgekehrt: man wähnte sich mehr in einem Kinosaal als in einem Theaterraum.
In „The Making Of Berlin“ vermischen sich Fiktion und Non-Fiktion auf subtile, amüsante Weise – wie soll hier nicht gespoilert werden. Am Ende des Stückes fragt man sich jedenfalls, ob es Yves Degryse wirklich als Regisseur gibt? Das Internet sagt, er wäre ein im Jahr 1977 geborener Schauspieler. Das ins Stück eingebaute Radio Klara gibt es jedenfalls in Belgien. Wer dazu Gelegenheit hat, geht heute ins Akzent-Theater und schaut sich dieses tolle Verwirr-Stück an.
Jugendstil-Theater: „The Memory Of Mankind“
Von 6. bis 8. Juni 2024 läuft im Rahmen der Wiener Festwochen das Stück „The Memory Of Mankind“ im Jugendstil-Theater. Der Plot: Ein Archiv für die Ewigkeit: Gelagert im Salzbergwerk Hallstatt sollen Keramiktafeln als unverwüstliche Datenträger das Ende unserer Zivilisation überdauern. 2012 begann der Österreicher Martin Kunze diese Idee umzusetzen und seitdem sammelt er für sein Memory of Mankind Zeitungsartikel und wissenschaftliche Beiträge ebenso wie persönliche Geschichten. Inspiriert von diesem außergewöhnlichen Projekt, verknüpft der schwedische Regisseur Marcus Lindeen in seiner aktuellen Arbeit dokumentarisches Material mit Fiktivem. Aus Interviews mit Kunze und weiteren Personen – ein Mann, der an einer seltenen Form des Gedächtnisverlusts leidet, ein Archäologe, der nach Spuren einer verschwundenen queeren Gesellschaft sucht – entsteht ein intimes Gespräch über die Obsession des Erinnerns und Erinnertwerdens. In einem Theater ohne Bühne, in einem Raum, den das Publikum und die vier Performer:innen teilen, stellt sich die Frage: Liegt im Erinnern oder doch im Vergessen die einzigartige Kraft des Menschen? Fragen, die uns alle beschäftigen... (jm, Fotos: Beatrice Borgers, Koen Broos)
Das Stück von Caroline Guiela Nguyen (rechts im Bild) hatte erst vor wenigen Tagen seine Premiere in Frankreich, im Rahmen der Wiener Festwochen war es zum ersten Mal in Wien zu sehen – und hat das Publikum in Atem gehalten.
Harmlos geht es los: die französische Chefdesignerin Marion bekommt den Auftrag das Brautkleid und den Schleier für die Hochzeit einer englischen Prinzessin zu gestalten. Fortan arbeitet nicht nur eine Handvoll Schneider:innen in Frankreich daran, sondern auch globale Lieferketten kommen in Gang. Immer wieder sieht man – in der Parallel-Handlung – auch den indischen Sticker Gani, der sein Augenlicht riskiert, um Geld zu verdienen und an seine Tochter zu schicken. Nicht nur der indische Sticker ist unter Druck, auch Marion bekommt es von allen Seiten ab: vom Besitzer ihres Modelabels genauso wie von ihrem Ehemann und ihrer Tochter.
Toxische Schlüssel-Szene
Eine starke Szene featured den toxischen Ehemann, der Marion in einen lächerlichen Streit verwickelt, in dem Beschuldigungen an den Haaren herbei gezogen werden und scheinbar schlüssig präsentiert werden. Sie habe diese Schlüssel-Szene auf rund 55 Seiten skizziert, erzählt die Regisseurin und Autorin Caroline Guiela Nguyen im Publikumsgespräch. Auch die Tochter leidet unter der Familiensituation, die zur Auflage für den Ehemann führt, sich der – in der Folge – Ex-Frau und Tochter nicht zu nähern. Wie bei ungesunden Menschen typisch: der Ex-Mann missachtet das Gebot und wird von der Polizei abgeführt.
Video & Chats
Besonders am Stück ist die Umsetzung: Live-Video-Elemente werden mittels Kameras genauso eingesetzt wie Projektionen von Chats oder anderen Informationen in verschiedenen Sprachen. In Kombination mit Filmmusik bekommt „Lacrimas“ den Touch eines Live-Filmes. Die Leistung der Profi- und Laienschauspieler:innen ist bei diesem 3 Stunden langen Stück heraus zu streichen. Ein begeistertes Publikum und standing ovations waren der Lohn für einen herausragenden Theater-Abend.
Ein weiteres Highlight verspricht das Stück „The Making Of Berlin“ zu werden, das von 3. bis 5 Juni im Rahmen der Wiener Festwochen im Akzenttheater zu sehen ist, zum Inhalt: während im Jahr 1945 Bomben auf Berlin fielen, träumte Friedrich Mohr, Orchesterwart der Berliner Philharmoniker, von einem letzten gemeinsamen Auftritt. Er versammelte die Musiker in Bunkern, um Richard Wagners Götterdämmerung über das Radio in ganz Berlin erklingen zu lassen. Aber die Verbindung brach ab. Fasziniert von Mohrs Lebensgeschichte unternahm die belgische Theatergruppe Berlin gemeinsam mit dem Radiosender Klara, dem Orchester des Opera Ballet Vlaanderen und dem Schauspieler Martin Wuttke den Versuch, seinen damals gescheiterten Traum im Heute umzusetzen. Doch die Recherchen zum Projekt, das von der Filmemacherin Fien Leysen dokumentiert wird, legen immer mehr Ungereimtheiten in Mohrs Erzählungen offen. Im Zusammenspiel mit Live-Musik verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation, Video und Live-Performance. Ein mitreißendes Stück voller überraschender Wendungen. Hingehen.
Theaterstück für Kinder
Von 13. bis 24. Juni 2024 ist im Dschungel in Kooperation mit den Festwochen das Stück "Amazonen" zu sehen. Der Hintergrund: Einst lebte, arbeitete und kämpfte eine Gruppe von freien Frauen an den Ufern des Schwarzen Meeres. Sie gründeten eine Gemeinschaft ohne Männer und nannten sich Amazonen. Wie kam es dazu? Und warum reagierten die männlichen Helden der Antike so aggressiv? Ausgestattet mit Lego-Figuren, Landschaftsmodellen, Live-Video und Protestbildern aus dem Internet begibt sich eine Geschichtenerzählerin auf die Spuren des Mythos und inszeniert eine zeitgenössische Version für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Ohne Begleitung durch Erwachsene initiiert "Amazonen" ein offenes Gespräch unter Gleichaltrigen zu zentralen Themen unserer Zeit: Ist es gerechtfertigt, Gewalt anzuwenden, um sich gegen Angriffe von außen zu wehren? Wie weit dürfen oder sollen wir für die Verteidigung der eigenen Meinung und den Protest gegen (Geschlechter-)Ungerechtigkeiten gehen? Wer sind die Amazonen unserer Zeit? Und was hat das alles mit dem Amazonas zu tun? Im Dschungel gibt es die Antworten auf diese Fragen auf der Bühne zu sehen. (jm, Fotos: Koen Broos, Olympus Kids, jpl)