25 April, 2014

Zu Unrecht liegen Gebliebenes 04/2014

Seit mehr als einem Jahr liegen geblieben und dennoch zeitlos: Die CD "Chaal Baby" von Red Baraat, dem von Brooklyn aus agierenden Weltmusik-Kollektiv rund um den dohl-Spieler Sunny Jain. dohl ist eine nordindische Trommel, sie liefert die Basis für einen tanzbaren Hybrid zwischen Bhangra, Jazz, Latin, Funk und Go-Go! Live sicher unpackbar, auch auf der CD spürt man schon wie hochenergetisch hier agiert wird!
"What Have We Done?" fragen Freesome, das ist die Band um den von Wien aus agierenden Gitarristen Matthias Waldthaler. Waldthaler stammt aus Südtirol und werkt übrigens bei Balkan Tango Vibes, deren Debüt-CD im Juni 2014 erscheinen wird. Die Freesome-Stücke beginnen meist zart, mit ein paar Gitarrenläufen und mit Sängerin Alexandra Grandl, um in weiterer Folge doch einen Ausbruch zu suchen. Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Eine passable 6-Song-EP, Anspieltipp: Spanish Nights.
Aus Sydney, Australien kommt diese CD zu uns: Hinter Tice & Evans stecken zwei Schwergewichte, Dave Tice war in den 1970er bei Buffalo und Mark Evans war gar im Original-Line-Up von AC/DC. In ihren älteren Jahren sind diese beiden Herren von der Rock'n'Roll auf die Blues-Seite des Lebens gefallen, trotzdem macht das Spaß, was sie aktuell vom Stapel lassen. Die Kraft ist noch da, wie dieser Live-Mitschnitt aus dem Bridge-Hotel in Sydney zeigt.
Was jetzt folgt, ist die Band Die Türen vermutlich gewöhnt: Die Türen polarisieren lustvoll, manche lieben diese Band, für manche ist sie eher unpackbar. Warum? Textauszug: "Dieses Lied ist gegen Deutschland, dieses Lied ist gegen Alkohol, dieses Lied ist gegen Sozialarbeiter, dieses Lied ist gegen Religion, Dieses Lied ist gegen Geld, dieses Lied ist gegen Revolution, dieses Lied ist gegen Medien, dieses Lied ist gegen Techno usw." Hier wird alles verbraten, was gerade aktuell scheint, "Don't google yourself" ist aber genauso zahnlos wie das obige Textzitat. Manches gelingt: "Schwarzes-gelbes Unterseeboot" oder "Leben oder Streben" sind z.T. witzig: "Dasein muss doch reichen und die Reichen müssen da sein, wenn man sie braucht." Und weiter: "Ich will keinen Mindestlohn, ich will Mindestliebe. "Dieses Lied braucht eine Chance!", singen Die Türen selbst. Na gut, diese Band auch. (jpl)

Live-Tipps:
Fr 25.4.2014: Katrin Navessi, Heureka, 20h, Skodagasse 17, 1080 Wien
Sa 26.4.2014: Jelena Popržan / Tini Trampler, 9er Bar, Niederkreuzstetten, 19:30h
Sa 26.4.2014: Boxer John, Benefiz für Iran SOS, WUK, 1090 Wien, pph-Raum, 20:30h

Freesome: "What Have We Done?" (6/10)
Red Baraat: "Chaal Baby" (8/10)
Tice & Evans: "Live at the bridge" (7/10)
Die Türen: "ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ" (4/10)

18 April, 2014

Sarah Lee Guthrie, Johnny Irion und Gordie Tentrees & Hill Country

Local, Wien 17. April 2014. Gegen 20 Uhr 30 betreten zwei MusikerInnen die Bühne, die mehrere Dinge gemeinsam haben: Eheringe, denn sie sind miteinander verheiratet; zwei Kinder; und sie haben beide berühmte Vorfahren: Sarah Lee Guthrie ist die Tochter von Arlo und die Enkelin von Woody Guthrie, der Gitarrist und Singer-Songwriter Johnny Irion ist weitschichtig mit dem Schriftsteller John Steinbeck verwandt.
(Fotos: Fischer)



Nach etwas schüchternem Beginn folgt ein intensives Konzert mit eigenen Stücken der beiden, die im stilistisch auf Folk- und Pop der 1970er-Jahre (und früher) referenzieren. Das zweigeteilte Set war durchmischt mit Liedern von Sarah Lees berühmten Großvater Woody Guthrie.

California Stars

Und weil sich die beiden für ihr gutes aktuelles Album "Wassaic Way" Jeff Tweedy von Wilco als Produzenten geholt haben, spielen sie folgerichtig auch die Version von "California Stars", die einst Billy Bragg und Wilco miteinander vertont und aufgenommen haben.
Sara Lee Guthrie und Johnny Irion haben eine Zeitlang in Kalifornien gelebt, jetzt wohnen sie am Rande des Appalachian Trails, einem Weitwanderweg, der u.a. durch Massachussetts führt. Weiter führt die beiden auch die aktuelle Tour, und zwar ins Down Under (Innsbruck, 19. April) und von dort weiter nach Deutschland.

Gordie Tentrees aus Kanada

Im Local, dessen Akustik übrigens sehr gut ist, geht das Konzertprogramm schon am Dienstag den 22. April mit einem interessanten Act weiter: Gordie Tentrees & Hill Country. Der Kanadier ist erstmals im Trio unterwegs in Europa und präsentiert in traditioneller Besetzung das Country-Album "North Country Heart"! (jpl)

Aktuelle CD: Sarah Lee Guthrie & Johnny Irion: "Wassaic Way" (8/10, RTE8 Rec.)
>> http://www.sarahleeandjohnny.com
>> Programm Local/Wien: Di 22.4.2014: Gordie Tentrees & Hill Country, 20h
http://www.local-bar.at

03 April, 2014

Hot News April 2014

Indie-Pop der 1980er und 1990er ist die Schule, auf die sich die Wiener Band Freud bezieht: "Yesterday Today Tomorrow" deutet die Zeitlosigkeit von eingängigen Melodien, freundlichen Synthie-Klängen und kraftvollen E-Gitarren an. Auf die Kombination all dessen verstehen sich die fünf MusikerInnen bestens, Chorgesang unterstreicht den Pop-Appeal einer Band, die von sich selbst sagt, dass sie "Pop'n'Roll macht". Stimmt, die CD-Präsentation steigt am 23.4. im WUK.
Eine härtere Gangart wählen Sergeant Pluck Himself: Obwohl das Album "yesterday will not come again" heisst, ist es doch eindeutig retro, die 1980er Jahre, Rock mit etwas härteren Ansätzen und zweistimmige Gitarrensoli lassen grüßen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich habe zweistimmige Gitarrensoli immer gemocht! Bass, Gitarre und Schlagzeug wurden freilich schon auf interessante Weise miteinander kombiniert, wer gerade Flaute im CD-Player hat, könnte auch zu Sergeant Pluck Himself greifen.
Durchaus ähnlich aber etwas raffinierter sind Propella mit ihrem Debüt "Turn It Out", das am 2. April im Wiener fluc präsentiert wird: Die drei Damen rund um Sängerin Babl Raketa machen mit den Werkzeugen Bass, Schlagzeug und Gitarre gut ausgecheckte Indie-Popmusik. Live macht das ordentlich Druck und auch am Tonträger kommt diese Kraft durch.
Noch einmal Musik aus Österreich: Die wunderbaren Playbackdolls nehmen mit "Delightful Songs" einen zweiten Anlauf und versammeln 9 Lieder, die ihre Wirkung nach mehrmaligem Anhören entfalten: "Ohne das Meer" oder "Zu teuer" erweisen sich als Ohrwürmer, die Playbackdolls liefern eingängige, tanzbare Indie-Pop-Melodien. Nach der guten Debüt-CD "Out Of The Blue" (2011) legt die Band um Tini Trampler und Stephan Sperlich, erweitert um den Akkordeonisten Tino Klissenbauer, nach. Die Mischung aus deutschen und englischen Texten ist sympathisch, überhaupt sind die Texte immer ein wenig ums Eck gedacht und das ist gut so. Eine schöne Erkenntnis aus dem Eröffnungsstück lautet etwa: "Ich komm grad drauf ohne das Meer geht gar nichts." Wenn das stimmt, dann sofort ab in die Sommerfrische!
Der Sampler „American Songbirds - Women Singer-Songwriters from the New World“, vom wunderbaren Jaro-Label, versammelt vier nordamerikanische Musikerinnen: Kyrie Kristmanson, Rachelle Garniez, Stephanie Nilles und das Duo Ashia & the Bison Rouge. Gemeinsam sind die vier am 15. März im Rahmen des Akkordeonfestivals in der ausverkauften Sargfabrik aufgetreten und haben gezeigt, dass man sich rein songwriter-technisch um die Zukunft keine Sorgen machen muss. Wer diesen wunderbaren Konzertabend verpasst hat, hört am besten auf dieser CD nach - es gibt darauf viel gute Musik zu entdecken! Die auf dem Sampler vertretenen Ashia & the Bison Rouge haben eine eigene 5-Song-EP präsentiert: Die Cellistin Ashia hat polnische Wurzeln und singt zuweilen in der Sprache ihrer Vorfahren bzw. bezieht sich musikalisch auf Osteuropa. Die kammermusikalische Form wirkt zwar zuweilen etwas streng, entfaltet aber dennoch ausreichend Charme und eine zauberhafte Wirkung.
Ebenfalls einen kammermusikalischen Ansatz wählen Alma, auf "Nativa" kommt die Band um Julia Lacherstorfer aber zu einem völlig anderen Ergebnis: Denn bei Lacherstorfer steht der Bezug zur Volksmusik im Vordergrund. So entwickelt sie gemeinsam mit Marie-Theres Stickler (Akk.), Matteo Haitzmann (Violine), Evelyn Mair (Violine) und Marlene Lacherstorfer (b) eine gemeinsame musikalische Sprache, mit der Volksmusik in die Gegenwart übersetzt wird. Und zwischendurch streut die Band eine sphärische Coverversion von Bart Howards "Fly Me To The Moon" ein!
Ab 24. April läuft in Wien das Wienerlied-Festival wean hean - und das bereits zum 15. Mal! Also: Hingehen! Am 30. April wird es im Rahmen von wean hean den Abend "Perpetua Julia" im Theater Akzent geben, der von 3 Formationen bestritten wird, in denen Julia Lacherstorfer federführend mitwirkt: Alma, Ramsch & Rosen und Neuschnee. Denn während sich weltweit junge Menschen zwischen 10 und 30 Löcher in ihre Jeans reißen und sich Punk und Rap zuwenden, holen Ramsch & Rosen auch auf ihrer CD "Bellver" zur Gegenbewegung aus: Sie beschäftigen sich mit österreichischer Volksmusik und holen diese in die Gegenwart. Ramsch & Rosen spielen Traditionals auf wunderbar reduziert Weise und ganz ruhig. Ergänzt durch Eigenkompositionen ergibt sich so ein rundum gelungenes Gesamthörbild.
Zum Festival wean hean erscheint alljährlich ein Sampler: "wean hean - Das Wienerliedfestival Vol. 13" versammelt u.a. Beiträge von Tommy Hojsa, Kollegium Kalksburg, Trio Lepschi und Arik Brauer und ist zur Annäherung an das heurige Festival zu empfehlen.
Viel Zeit nehmen sich Spain auf ihrem neuen Album "Sargent Place": Hier läuft Alternative Pop-Rock in Zeitlupe ab, ein Alt. Country-Ansatz ist auch zu vernehmen. Die Band um Josh Haiden hat auch dessen Vater, den berühmten Jazz-Bassisten Charlie Haiden zum mitjammen eingeladen. Die Riffs sind stimmig gesetzt, das Ergebnis ist insgesamt schlicht ein Genuss und lässt diese Scheibe bis zum nächsten Monat im CD-Player verweilen, zwischendurch kann man ja auch den Plattenspieler mal aktivieren. Mit anderen Worten: Album des Monats!
Ex aequo: Mit einem Americana-Ungetüm startet die dänische Band The Desoto Caucus ihr self-titled-Album: Nach "Nail In The Wall" wird ordentlich nachgelegt. Meist ruhig, versponnen und etwas düster, bei "Just The Other Day" auch mal fröhlich-rockig. Die Grundstimmung lautet aber: Americana. Weitläufige Sandlandschaften gibt es schließlich überall, sei es in der Wüste gleich hinter Tucson, Arizona oder am Strand bei Aarhus, Denmark. The Desoto Caucus spielen E-Gitarren, wie man sie bei Giant Sand, Calexico oder Ned Colette zu hören bekommt. Folgerichtig dankt die Band im Booklet Altmeister Howe Gelb, der vor kurzem in Wien war (leider verpasst...). Via Glitterhouse kommt die Platte aus Dänemark zu uns und so gibt es dieses Mal eine zweite CD des Monats!
Einen durchaus ähnlichen Ansatz wählen Nick and the Roundabouts: Auf "Woe to live on" ist der Weg, im Vergleich zu Spain, eher geradlinig angelegt. Mastermind Nick Arden hat aber eine wunderbare Stimme und macht gute Folk-Arbeit, charmant sind die Songs allemal, die Scheibe ist somit zum Gegenhören durchaus geeignet.
Weitere Hinweise: Am 4. April erscheint mit "Die Glut" das full-length-Debüt von (goubran), die CD wird in den nächsten Monaten um Teil in Kombination mit Lesungen präsentiert, so zum Beispiel im Juli in der Alten Schmiede.
Am 10. April tritt Estrella Morente im Wiener Konzerthaus (21h) mit ihrer aktuellen Variante des Flamenco auf und Eleni Mandell kommt am 20. April ins WUK, mit neuer CD im Gepäck
Noch in vollem Gang ist das Vienna Blues Spring Festival, in dessen Rahmen am 28. März Elliott Murphy aufgetreten ist: Mit kongenialer Begleitband und wunderbaren Songs aus den letzten 30 Alben und 40 Jahren hat Murphy im ausverkauften Reigen zu begeistern gewusst. Hier spielte einer, dem der ganz große weltweite Durchbruch a la Bob Dylan nie gelungen war, der aber trotzdem immer weiter gemacht hat und für den sich - wie er in einer launigen Lou Reed-Anekdote erzählte -, die Dinge gut entwickelt haben. So kann man an dieser Stelle durchaus noch einmal das großartige letzte Album Murphys empfehlen, das hier die volle Punktezahl abgeräumt hat.
Und schon für Mai zum Vormerken: Am 20.5. kommen Woven Hand mit neuer CD im Gepäck ins WUK. (jpl)

Alma: "Nativa" (8/10)
Ashia & Bison Rouge: "st" (7/10)
Freud: "Yesterday Today Tomorrow" (7/10)
Nick and the Roundabouts: "Woe to live on" (6/10)
Playbackdolls: "Delightful Songs" (8/10)
Propella: "Turn It Out" (8/10)
Ramsch & Rosen: "Bellver" (7/10)
Sergeant Pluck Himself: "yesterday will not come again" (5/10)
Spain: "Sargent Place" (10/10)
The Desoto Caucus: "s/t" (10/10)
VA: „American Songbirds - Women Singer-Songwriters from the New World“ (9/10)
VA: "wean hean - Das Wienerliedfestival Vol. 13" (7/10)

Live-Tipps:
The Wichita: 4.4. (Heureka, 20h): Band
Sarah Lee Guthrie: Do 17.4. (local, 20h)
Eleni Mandell: So 20.4. (WUK, 20h)
wean hean: Do 24. April bis 17. Mai, Programm
Gordie Tentrees & Hill Country: Di 22.4. (local, 20h)