Beginnen wir mit Natalie Merchant: Sie ist gleich die Ausnahme, denn die Promo-CD, die Teile der Doppel-CD "Leave Your Sleep" vorstellt, war aus nicht geklärten Gründen über Wochen nicht auffindbar. Merchant liefert ein Meisterwerk ab, in dessen Mittelpunkt wie immer ihre einzigartige Stimme steht. Musikalisch hat sie neue Wege beschritten und so sind hier neben opulenten Streichersätzen auch Cajun- oder Roma-Einflüsse zu vernehmen - Merchant hat sich mehr als 130 MusikerInnen ins Studio geholt, etwa The Klezmatics oder The Chinese Music Ensemble New York. Die CD vertont die Werke von DichterInnen, zurückgenommene Stücke wie auf Merchants noch immer gültigen Ophelia-Album gibt es hier auch. Großartig!
Ebenfalls bunt gemischt: "Editor's Selection Vol. 01", kompiliert vom Musikmagazin uptown strut, das sich als Medium für so genannte Black Music im deutschsprachigen Raum etabliert hat: Szenegrößen wie Quantic & his Combo Bárbao wurden KünstlerInnen aus Deutschland (Mo' Horizons, Una Mas, Hi Fly Orchestra) gegenüber gestellt. Gut kompiliert - man darf sich auf Teil 2 dieser Reihe freuen!
Eine ganz andere Baustelle: Zwei Japaner in München machen auf ihrer neuen CD "Ensoku" unter dem Namen Coconami wieder auf charmanteste Weise Musik - getragen von der lieben Ukulele covert man beherzt bayrisches Liedgut ("Sternpolka", "Boarischer in CD") und Popstücke wie "Sweet Child O' Mine" von Guns’n’Roses. Diese Mischung aus Hinterfotzigkeit und lustiger Ernsthaftigkeit ist unterhaltsam und funktioniert wunderbar. Noch ein Tipp: Die Band unbedingt mal live ansehen - da ist meist auch eine Spielzeugtrommel im Einsatz!
Frankophile aufgepasst: Die Reihe "Le Pop" versammelt zum sechsten Mal Chansons der aktuellen SongwriterInnen-Szene von Paris, Frankreich bis Quebec, Kanada. Hier gibt es Old-School-Chansons ebenso wie Vermischungen mit Pop- und Rock (Emamanuelle Seigner mit "Dingue") und sogar Americana-Beeinflusstes (Tom Poisson mit "Trapéziste") und die blutjunge Singer-Songwriterin von Coeur de Pirate. Eine Zusammenstellung die Spaß macht und Lust auf eine Reise nach Montreal macht - oder wenigstens nach Montpellier. Qui, qui!
Ja, ja, zugegeben: Manchmal entscheidet auch die Covergestaltung darüber, ob eine CD im Stapel der zu rezensierenden CDs unaufhörlich weiter nach unten rutscht - um irgendwann doch an die Oberfläche gespült zu werden. So ist es mit CD von Joan Armatrading "This Charming Life" geschehen. In den 1980er-Jahren trieb sich die Dame gar in Hitparaden herum, das ist mit dem neuen Album zwar nicht gelungen, aber das liegt nicht an der Qualität des Dargebotenen: Das fast im Alleingang produziert Album besticht durch die Produktion und die Songs, die sofort ins Ohr gehen, mal kraftvoll und rockig, aber auch mal zurückgenommen - immer mit Verve, somit ein gutes Spätwerk!
Ähnliches gilt für die Doppel-CD von Sigi Maron: Seit langem gibt es hier wieder Mal neue Lieder des Alt-Austro-Poppers, das Überraschende daran ist, dass die Lieder vom Songwritertum österreichischer Old School entstaubt wurden und eher in einer Mischung aus Reggae und Rap daher kommen. Klar, die Texte sind deutsch bzw. Wienerisch und kämpferisch und ironisch wie immer - so kommt schon mal Silvio Berlusconi in einem der Stücke vor. CD 2 dieses Dopplers versammelt altes aus den Jahren 1976 bis 1996. Empfehlung für Austropop-HistorikerInnen. (jpl)
Natalie Merchant: "Leave Your Sleep" (Nonesuch), www.nataliemerchant.com
VA: "Zu klein. Zu fett. Zu schwarz. Zu alt." (uptown strut/GrooveAttack),
Coconami: "Ensoku" (Trikont/Lotus), www.myspace.com/coconami
VA: "Le Pop 6" (Le Pop Musik/GrooveAttack), www.lepop.de
Joan Armatrading: "This Charming Life" (Hypertension), www.joanarmatrading.com
Sigi Maron: "Es gibt kan Gott" (monkey/Hoanzl)