26 Oktober, 2016

Seasick Steve hat den Blues auch in Wien

Am 27. Oktober ist es soweit: Am Tag nach dem Nationalfeiertag darf man in Wien gleich weiterfeiern, denn Seasick Steve ist wieder in town und bespielt dieses Mal den Gasometer. Im Gepäck hat er seinen neue CD "Keepin' the horse between me and the ground".

Nur nichts anbrennen lassen, könnte man zu diesem CD-Titel sagen: das macht Seasick Steve musikalisch allemal und bietet geradlinige Blues-Rock-Folkmusik. Auf CD Nummer 1 der aktuellen Doppel-CD geht es härter zur Sache, während CD Nummer 2 akustisch gehalten ist und mittels Ruhe an Stärke gewinnt. Hier findet sich eine überzeugende Version von "Gentle on my mind", das man bisher als Crooner-Stück von Dean Martin kannte.

Bluesthemen

Apropos Härte: Seasick Steve aka Steve Wold wuchs in zerrütteten Familienverhältnissen auf, als der kleine Steve vier Jahre alt ist, trennen sich seine Eltern. Im Alter von 14 Jahren reißt er von zu Hause aus und zieht als Hobo durchs Land - Gelegenheitsjobs und Aufenthalte im Gefängnis inklusive. Das sind die Themen aus denen Blues geschaffen wird. Inzwischen ist Steve 74 und zieht wie der - telefonisch selbst für das Nobelpreiskomitee - unerreichbare Dylan noch immer umher und spielt und spielt und spielt. Am 27. Oktober macht Seasick Steve im Wiener Gasometer Station; einfach hingehen und anschauen. (jpl)

http://seasicksteve.com
Seasick Steve @ Gasometer
CD: "Keepin' the horse between me and the ground" (8/10)
Do 27.10.2016: Seasick Steve, Gasometer, Wien, 20h

04 Oktober, 2016

Hot Oktober 2016

Ein Film wie ein Schlag in die Magengrube: Die etwas zu lange ausgewalzte Doku "One More Time With Feeling" zeigt in stilvollen Schwarz-Weiss-Bildern einerseits eine komplexe Phase der Trauerarbeit im Leben der Familie von Nick Cave, nachdem dessen Sohn gestorben ist. Parallel dazu passieren die Aufnahmen zur nun vorliegenden CD "Skeleton Tree": Die entwickelt einen Sog, der einen vom ersten Song "Let us go now, my darling" nicht mehr los lässt und ist insgesamt überraschenderweise weniger düster als zu erwarten war. Kongenial mit Warren Ellis eingespielt, von der ursprünglichen Bad Seeds-Crew ist übrigens noch Thomas Wydler dabei. Ein wenig Elektronik und Sythie-Klang durchsetzt die 8 Stücke, insgesamt vermittelt "Skeleton Tree" so etwas wie das Licht am Ende des Tunnels. Ein Meisterwerk. CD des Monats.

Kjellvander und Schroeder

Als Ergänzung dazu bietet sich die neue Scheibe von Christian Kjellvander an: "A Village: Natural Light" ist auf die düstere Seite des Lebens gefallen, das natürliche Licht hat maximal die Stärke der Mitternachtssonne um 3 Uhr früh. Kjellvander besticht wie immer durch seine markante Stimme und schafft ein ruhiges, melancholisches und dennoch kraftvolles Meisterstück.
Stimmlich und atmosphärisch passt "Void", das neue Album von Andrea Schroeder zu den eben Genannten: Schroeder weiß in jeder Sekunde, dass sie diese 11 Lieder mit ihrer wunderbaren Alt-Stimme tragen kann und dockt musikalisch bei Cave und beim Black Rider-Album von Tom Waits an. In einer Zeit, in der Musik aus allen Ecken quillt und beständig einströmt, ist "Void" der großartige Gegenpunkt: Auflegen, hinsetzen und einfach zuhören. Schroeder hat fast alle Texte vefasst und die Musik größtenteils mit Jesper Lehmkuhl komponiert, als Gast tritt etwa Kristof Hahn (Swans) in Erscheinung. Nach dem letzten deutsch- und englischsprachigen Album "Where the wild ocean ends" scheint es egal, in welcher Sprache sie singt - Schroeder ist eine Ausnahmekönnerin, Magie entsteht jedenfalls. Ex aequo: Platte des Monats.

Bakken in Bangkok

Apropos Skandinavien: Die Best-Of-CD einer Jazz-Sängerin, deren CDs ich einst gar in einem Plattenladen in Bangkok gesehen habe. Dort die einzige Veröffentlichung mit Österreich-Bezug: Rebekka Bakken. Die in Österreich lebende Norwegerin hält seit Jahren ihr Spitzenniveau und hat ihren eigenen Stil gefunden, das dokumentiert die nun vorliegende Best-Of-CD eindrucksvoll: Auf der Doppel-CD finden sich außerdem 5 neue Lieder, für Fans ein stilvolles Muss.
Ein toller Herbst, was Veröffentlichungen betrifft und diese Band ordnet sich in den Reigen ein: Ende September haben Freakwater das Wiener WUK bespielt, im Gepäck die neue CD "Scheherazade". Die um Catherine Irwin und Janet Bean gruppierte Band aus Kentucky überzeugt live wie auf CD durch hervorragende Songs und durch eine lockere Spielfreude. Die war auf der Bühne mit launigen Zwischenansagen kombiniert und so zogen Freakwater das Publikum sofort auf ihre Seite. Zudem erinnern die beiden Frontfrauen in ihrer Polarität an die Indigo Girls - und das ist schließlich eine gute Referenz und in einem Lied klingt kurz ein Pattern aus Morricones "Spiel mir das Lied vom Tod"-Soundtrack an. Raffiniert.
Der Mann, der einst als Produzent berühmt wurde (U2, Ron Sexsmith, Emmylou Harris u.v.a.) wird nun wieder vorstellig: 27 Jahre nach seinem tollen Album "Acadie" legt Daniel Lanois nun mit "Goodbye To Language" eine neue Scheibe vor. Die CD kommt wie ein eigener Klangkosmos daher. Lanois gibt einen Überblick über seine Karriere, wirft die Musikstile zusammen und erschafft etwas Neues daraus. Ab und an werden Steel-Guitars hier verfremdet, elektronische Country-Music wäre aber eine Übertreibung. Lanois experimentiert - wie einst mit Brian Eno - nimmt den Hörer mit auf eine Reise, zu Klängen, die noch nie ein Mensch zuvor gehört hat. Oder so. Eine Scheibe, die sich langsam entfaltet, immer ein wenig sperrig bleibt und nachhaltig wirkt - am besten selbst probieren.
Eine ganz andere Welt eröffnet der Putumayo-Sampler "Native American", der aktuelle MusikerInnen mit native american backgrounds präsentiert: Gott sei dank wird dabei auf die standardmäßige Trommel weitgehend verzichtet. Nordamerikas SängerInnen mit indigenen Wurzeln zeigen sich als Singer-Songwriter, die sich aber inhaltlich und zum Teil auch sprachlich auf ihre Herkunft besinnen: Sei es Navajo, Cherokee, Apache oder Innu. Anspieltipp: "Shine For You" von Brianna Lea Pruett, die Cherokee und Choctaw-Wurzeln hat. Das Stück treibt beständig vorwärts und verweist musikalisch dezent - mittels Rhythmus und Gesang - auf native american music.

„Langsam dreht´s dich“ von Leo Taschner

Leo Taschner, Singer-Songwriter aus Wien, hat sein Solo-Debut „Weniger is nix“ aufgenommen. Die erste Single „Langsam dreht´s dich“ wird am 18. Oktober 2016 im Wiener Fluc mit einem Live-Konzert präsentiert und auf Lindo Records veröffentlicht. Mit Gitarre, Tanzschuhen und frisch geputzten Zähnen möchte Taschner sein Glück lieber nicht zu fest in die Hand nehmen, stattdessen noch eine Runde auf der Tanzfläche drehen. Twist & Brush!

"Obacht! Musik aus Bayern" - dieser Sampler ist bei Galileo erschienen: Es ist die vierte Veröffentlichung in dieser Reihe, eine wunderbare Sammlung von Stücken mit Bayern-Bezug. Die Biermösl Blosn eröffnen die CD mit ihrem "Che Guevara Landler" und geben gleich die Richtung vor. Wohltuend ist, dass die versammelten Gruppen neue Zugänge zu traditioneller Volksmusik versuchen und dabei launig und sehr unterhaltsam agieren. 75 Minuten, die wie um Flug vergehen, wer mehr Bayern möchte, kann auf die CDs Nummer 1 bis 3 zurück greifen. (jpl)

Rebekka Bakken: "Most Personal" (8/10)
Nick Cave: "Skeleton Tree" (10/10)
Freakwater: "Scheherazade" (7/10)
Christian Kjellvander: "A Village: Natural Light" (7/10)
Daniel Lanois: "Goodbye To Language" (6/10)
Andrea Schroeder: "Void" (10/10)
VA: "Native America" (8/10)
VA: "Obacht! Musik aus Bayern" (9/10)

Live:
Mi 5.10.2016: Thad Beckman, Local, 1190 Wien, 20h
Mi 5.10.2016: Duo Rittmannsberger Soyka, Morawa, Wollzeile, 1010 Wien, 19:30h
Fr 14.10.2016: Novi Sad, CD-Präsentation, Rote Bar Volkstheater, 22h, Neustiftgasse 1, 1070 Wien
Mo 17.10.2016: Katrin Navessi, Café Amadeus, Märzstr. 4, 1150 Wien, 19:30h
Di 18.10.2016: Live: Leo Taschner, Katie Kern. Single-Präsentation, anschließend DJ Rob71 und DJ Kerido, fluc, Praterstern, 21h
Fr 21.10.2016: Laura Rafetseder, CD-Präsentation und Vernissage Angela Dorrer, AU, Brunnengasse 76, 1160 Wien, 20h
Do 27.10.2016: Seasick Steve, Gasometer, Wien, 20h
Fr 04.11.2016: Anne Dromeda, Kramladen (Gürtelbogen 39-40, 1080 Wien, 20h), CD-Präsentation