Ebenfalls großartig und als - wenn auch nachdenkliches, aber dafür umso berührenderes - Weihnachtsgeschenk zu empfehlen: "Night Of The Hunters" von Tori Amos. Amos, die Ende Oktober in der Wiener Stadthalle auch ein großartiges Konzert gespielt hat, schickt eine Frau auf eine emotionale Tour durch die Nacht, in der sie viele Beziehungsfacetten durchleben muss. Die CD ist ein Liederzyklus a la Schuberts "Winterreise" und nimmt sich in 14 Stücken Themen wie Verbundenheit, Wahrheit, Abschied, Vertrauen, Selbstaufgabe und der stillen, in der Nacht vollzogenen Rückkehr ins eigene Leben an. Irgendwann dämmert schließlich der nächste Morgen. „Just leave me your ghost / I will keep him warm“, singt Amos im versöhnlichen und gar humorvollen Stück „Your Ghost“, in dem es ums Verzeihen und das Loslassen der Geister der Vergangenheit geht – die Grundstimmung ist gelassen, denn: Schafft man es, die Vergangenheit zu akzeptieren und in die Gegenwart zu integrieren, wird alles gut. Tochter Tash ist bei "Night Of The Hunters" auch mit an Bord, ebenso eine Nichte, so ist die CD eine Familienunternehmung geworden - und diese ist großartig gelungen!
Abschließend noch zwei neue Scheiben vom umtriebigen deutschen Label Beste!Unterhaltung, dem wir zur Zeit vor allem eines verdanken: Die Wiederveröffentlichung von bisher erschienenen CDs der skandinavischen Sängerin Gudrid Hansdóttir. Die stammt von den Färöer-Inseln (Stichwort: Zipfelmütze) und hat für ihr Album "The Sky Is Opening" 2010 zu Recht den Planet Award "Album Of The Year" erhalten. Die Songs fließen dahin, Hansdóttirs Stimme vermag - wie der Backkatalog zeigt - alles zwischen Pop und Folk umzusetzen und macht süchtig nach mehr. Entweder man hofft also auf den Backkatalog oder wartet schon mal auf das nächste Album, das die Tochter von Hans vom Stapel lässt.
Die Überraschung des Monats liefern Hi-Lo & In Between: Die never-heard-Band aus Finnland schafft mit "We Are Not The Wind" ein stilvolles Alternative-Country-Album, dem auch mal die große Geste gut ansteht. Hier wird nicht der Holzofen beheizt und es kracht an allen Ecken, sondern die Zentralheizung des Konzertsaals, in dem diese Musik genauso stattfinden könnte. Dennoch ist es ein schlichtes, fein gearbeitetes Album, dessen Kraft wieder mal in der Ruhe liegt. Manchmal genügen hier ("The Waves") eine Gitarre und ein Klavier, die sich gegenseitig die Akkorde zuwerfen, während im darauf folgenden Titelstück "We are not the wind" gar Countrystimmung in voller Bandbesetzung aufkommt. Insgesamt ist es Musik, die irgendwie aus dieser Welt gefallen zu sein scheint, das Cover wurde von der bildenden Künstlerin Liina Mäki-Patola gestaltet. Und ja: Nicht nur in Finnland ist es zurzeit scheißkalt - also ab in die Sauna, diese Musik hören und sich auf die Sonne nach der Mitternachtssonne freuen! (jpl)
Tori Amos: "Night Of The Hunters" (Deutsche Grammophon, 10/10)
Gudrid Hansdóttir: "The Sky Is Opening" (Beste!Unterhaltung, 8/10)
Hi-Lo & In Between: "We Are Not The Wind" (Beste!Unterhaltung, 8/10)
Tom Waits: "Bad As Me" (Anti, 8/10)