21 Juni, 2015

Kambodscha und China

Mit Asien beschäftigen sich zwei aktuelle Bücher - beide bieten interessante Einblicke, wenngleich der Zugang kaum unterschiedlicher sein könnte.

Nach Kambodscha kommen die meisten Pauschal-Reisenden nur für zwei oder drei Tage, um Angkor Wat zu besichtigen. Erik Lorenz hat sich mehr Zeit genommen, sein vor kurzem erschienenes Buch "Lesereise Kambodscha" zeigt das Land von vielen Seiten: So erzählt Lorenz von der Kunstszene des Landes, von Aussteigern auf einer Insel und von aktuellen politischen Entwicklungen in Kambodscha.
Der obligate Besuch von Angkor Wat, der zu ihrer Blütezeit größten Stadt der Welt, bleibt nicht aus. Doch wie bei den anderen Reportagen gelingt es Lorenz einen individuellen Blick auf die Szene zu werfen: Er besucht auch Müllhalden außerhalb von Siem Reap und Phnom Penh und berichtet über das Leben der MüllsucherInnen; über den Jungen In Eath, der es schafft vom Müllsammler zum Rezeptionisten eines Hotels in Siem Reap aufzusteigen. Vielleicht ist dies die stärkste der insgesamt 11 Reisereportagen, die der Picus Verlag unter dem Titel "Ein Tuk-Tuk in Angkor" zu einem lesenswerten Buch bündelt.

Das Buch "Mein Elektriker fährt einen Porsche?" von Gianni Kovačević erzählt vom längsten Trend der Menschheitsgeschichte: Von der steigenden Zahl an Menschen, die eine 'westliche' Lebensweise erreichen bzw. erreichen werden. In Dialogform unterhalten sich ein Arzt und sein Elektriker aus den U.S.A. über die Folgen, die daraus entstehen - insbesondere über den höheren Bedarf an Ressourcen und Energie.

Die Dialoge wiederholen beständig die Hauptaussagen: Dass ein steigender Energieverbrauch insbesondere mehr Bedarf an Kupfer mit sich zieht und dass dieser Bedarf vor allem in China gegeben ist. Durch die Wiederholungen wirkt das Buch manchmal geschwätzig, die Dialogform ermüdet zuweilen. Das Buch wendet sich in seinem Plauderton an unerfahrene Anleger und erspart diesen unnötiges Fachchinesisch. Apropos China: Am Ende reisen der Elektriker und der Arzt miteinander nach China und überzeugen sich vor Ort vom dort vor sich gehenden Wirtschaftswachstum und vom gesellschaftlichen Wandel. Insgesamt will das Buch einen Einblick in Emerging Markets geben und erklären - so der Untertitel - wie Sie vom längsten Trend der Menschheitsgeschichte profitieren. Der Untertitel verspricht mehr als er einhält, denn konkrete Tipps werden kaum gegeben. Es wird eher versucht, Fakten zu vermitteln, aus denen der Leser seine eigenen Schlüsse ziehen soll. Immerhin ändert der Arzt am Ende des Buches sein Leben in Richtung mehr Nachhaltigkeit - mittels Kauf von Solarpaneelen und Elektroauto. Ein interessantes Buch, das den Trend zu einem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen unterstützt. (jpl)

Gianni Kovačević: "Mein Elektriker fährt einen Porsche?" (FBV, 8/10, mehr...)
Erik Lorenz: "Lesereise Kambodscha" (Picus, 8/10, mehr...)

08 Juni, 2015

Hot Juni News 2015

Diese Überraschung gelingt: Rocky Votolato liefert mit "Hospital Handshakes" ein rockiges Indie-Album ab, das sich auch ruhige Momente gönnt. Mit seiner eindringlichen, angenehmen Stimme drückt Votolato den Songs seinen Stempel auf und beendet diese 11-Song-Sammlung mit einem großen Song: "The Finish Line" könnte in seiner Schlichtheit auch von Bruce Springsteens Nebraska-Album stammen. Knappe Entscheidung, aber: Album des Monats und am 6. Juni live im Wiener B72 zu hören!
Mit Schaudern erinnere ich mich noch an ein Album von Molden aus früheren Tagen, das damals - um keinen Verriss schreiben zu müssen - an Kollegen weitergegeben wurde. Gute Erinnerungen dagegen an "Schwunder", das Wunderalbum von Der Nino aus Wien. Nino & Molden, kann das gut gehen? Es kann, "Espresso" von Wolfgang Ambros bleibt auch in der Neuinterpretation ein Klassiker. Man muss hoffen, dass Der Nino nicht auf musikalische Abwege gebracht wird und einfach weiterhin sein Ding macht. So ist diese CD als Ausflug zu sehen bzw. zu hören, also: Passt schon.
Im Rahmen des Festivals Vienna Blues Spring war diese Band vor kurzem im Wiener Reigen zu Gast: Deltamoon wussten mit ihrer eigenen rockigen, auf E-Gitarre und E-Bass basierenden vorwärtstreibenden Interpretation von Blues zu überzeugen. Was live wunderbar geklappt hat und das Publikum zu mehreren Zugabenforderungen trieb, ist auch auf CD ein Genuss. Kraftvoller Blues mit Rock gewürzt!
Ebenso kraftvoll war am 19. Mai der Auftritt von Son Of The Velvet Rat im Wiener Radiokulturhaus. Die Band hat sich - mit neuem Schlagzeuger - gut disponiert gezeigt und in ihr Set die Songs aus der neuen 3-Song-EP eingestreut: "Angela" erzählt die imaginierte Geschichte einer im Fernsehen gezeigten Demonstrantin. Die Songs Nummer 1 und 2 klingen unbeschwert, Song Nummer 3 ist auf die düstere Seite des Lebens gefallen, aber nicht minder großartig. Der EP-Titel "Desert Stories" ist insofern passend, als sich Frontman und Frontwoman von Son Of The Velvet Rat im August wieder in die Wüste im den westlichen U.S.A. zurückziehen - um vielleicht einige Monate später mit neuen Songs zurück zu kehren. Wir dürfen darauf hoffen!
Noch nie etwas von dieser Band gehört: Der Kern von Sacri Cuori stammt aus Italien, aber man hat sich prominente Gäste ins Studio geholt: Marc Ribot, Steve Shelley (Sonic Youth) und auch Mitglieder der mexikanischen Band Sonido Gallo Negro mischen mit. Sie alle sorgen für einen eklektizistischen, imaginären Film-Soundtrack irgendwo zwischen Ennio Morricone und Nino Rota. Großartig!
Cheryl Green liefert auf ihrem Debütalbum "Kokon" Lieder, die in Richtung ernsthafte, deutschsprachige Popmusik einzuordnen sind. Oft geht es um Liebe, Gefühle, Zweifel, Schmerz und Hoffnung ("Diese eine Nacht", "Ich suche dich", "Ich liebe"). Als Mitmusiker hat sie sich Klasse-Leute ins Studio geholt, insgesamt ist die Scheibe - trotz mittels Produktion eingefügten Farbtupfern - eher anstrengend. Kollegin Kira hat vor einigen Jahren ein ähnliches, aber etwas rockigeres und daher überzeugenderes Album abgeliefert, zweifellos am besten agiert zurzeit in diesem Kontext Andrea Schroeder.
Mit einer gekonnten Mischung aus Jazz und Bossanova punkten The Chamber Music Project mit der Frage: "Who's the Bossa?". Eine ruhige, intensive Platte ist es geworden, die bei mehreren Durchläufen nichts an Glanz verliert, sondern zuzulegen weiß. (jpl)

Deltamoon: "Low Down" (8/10)
Der Nino aus Wien/Ernst Molden: "Unser Österreich“ (6/10)
Cheryl Green: "Kokon" (5/10)
Rocky Votolato: "Hospital Handshakes" (9/10)
Sacri Cuori: "Delone" (9/10)
Son Of The Velvet Rat: "Desert Stories" (9/10)
The Chamber Music Project: "Who's the Bossa?" (7/10)

Live-Termine:
Di 09.06.2015: Martin Klein, Sargfabrik, 20h
Sa 13.06.2015: Christian Masser, 18h, Skodagassenfest, 1080 Wien
Do 18.06.2015: WUKstock, 20h, Währinger Str. 59, 1090 Wien, u.a. mit: Lassos Mariachis
Sa 20.06.2015: Magdalena Piatti, WUK, Währinger Str. 59, 1090 Wien, 21h
WUK Platzkonzerte Mi 15.7.-Fr 14.8.2015, jeweils 20:30h im WUK

Alle Termine von Lindo-Acts: hier