Aus dem Album „Ernst“ wird die Nummer „Deponie“ ausgekoppelt, dazu gibt es auch ein Video. Was ist das für ein Song?
„Deponie“ ist wahrscheinlich das erstes Liebeslied an mich selbst. Die Metapher dahinter ist, dass die Welt voll ist mit Sondermüll, mit ungelösten Problemen und dass es wichtig ist, diese Altlasten zu sanieren, zu therapieren. Da geht es als Metapher um in mir deponierte Dinge, die ich gar nicht bin. Der Realitätsbezug ist, dass ich über meine Kindheit geschrieben habe. Meine Kindheit in Wien Favoriten, ein hartes Umfeld – auch mit Schlägertruppen. Daheim wie auf dem Spielplatz. Das Paradies war eine ehemalige Mülldeponie, wo wir alles Mögliche erlebt haben. Das hat meine Naturnähe von Anfang an ausgemacht.
Inwiefern?
Mir war als Kind weder bewusst noch wichtig, dass das eine Deponie ist. Das war für mich ein Freiraum. Ich erzähle in dem Lied sehr zart, warum ich so bin, wie ich bin: manche mögen das als schroff empfinden. In Wahrheit bin ich ein verletztes Pflänzchen, das sich entlang seiner Verletzungen und Narben entwickelt hat. Es ist auch eine Antwort auf die Frage, die mir oft gestellt wird: Tom, warum schreibst du immer so traurige Lieder. Das Lied endet mit den Worten: „Lieder sind niemals traurig, sie kratzen nur am Lack. Erinnern die Lebenden ans Leben und die Toten ans Grab.“ Musik und Lieder sind nicht das Traurige an sich, sondern sie sprechen das Traurige in uns an, damit es entsorgt werden kann. Damit wir frei werden und innen rein. Das führt uns zum Dalai Lama: dass wir frei werden von Dingen, die in uns abgelegt wurden. Erkenne dich selbst und sei es – die Inschrift von Delphi.
Apropos Deponie: in der Gesellschaft, um uns, im Berufsleben, in Beziehungen, ist man doch immer wieder mit nicht-wertschätzenden Haltungen konfrontiert. Oder wird durch Zwänge klein gehalten. Was tut man als gereifter Erwachsener, wenn man mit dem Nicht-Wertschätzenden, dem Nicht-Liebevollen konfrontiert wird?
Erstens stimmt das, wir leben in einer von narzisstischen, meist Männern, von alten weißen narzisstischen Männern geprägten Kultur. Die ist definitiv nicht liebevoll, sondern hat etwas mit Macht, mit Gewinnen und mit dem Unterdrücken zu tun. Mit einem schweren, kranken Egoismus. Das haben wir in der Politik, in der Wirtschaft, leider auch in der Bildung, befürchte ich. In diesen Rahmen werden wir hinein geboren. Es gibt ja nicht nur die kranken Narzissten, die sind halt an den Machtpositionen, weil sie so süchtig danach sind! Das haben wir zu tun: Wie können wir, Menschen wie du, wie ich, wie können wir uns aufbäumen? Wie können wir selbst ein Vorbild sein, so wie ein Dalai Lama ein liebevolles Vorbild sein will und ist. Wie können wir, die wir keine kranken, kaputten, schlägernden Narzissten sind, wie können wir die Welt liebevoll umgestalten?
Gute Frage, wie geht das?
Ich glaube nicht, dass es der Weg der Esoterik ist, auf dem alles sanft und weit ist. Sondern es ist schon auch ein gesunder Zugang zu Macht und Gestaltungsmöglichkeit. Macht heißt ja, dass ich etwas weiter bringen kann. Nur Macht ohne Ethik und Liebe ist gefährlich. Macht mit Liebe und ethisch wertvoll geprägt, ist etwas Wichtiges. Wir haben eine riesige Arbeit vor uns! Fangen wir bei uns selbst an und dann kümmern wir uns um die Kindern. Denn die Alten, wie Trump, sind eh verloren. Was willst du dem noch lernen? Trump oder Putin sind verloren, die sind entmenschlicht, das sind unkontrolliert abfahrende Ego-Raketen in einem Machtrausch. (jm)
Sa 22.10.2022
Albumpräsentation „Ernst“
TAG, Gumpendorfer Straße 67, 1060 Wien
Beginn: 20h
www.dastag.at