14 Oktober, 2021

Hot News 10 / 2021

Ein Herbst mit einigen musikalischen Überraschungen: Matt Johnson, Frontman von The The, legt mit „The Comeback Special“ ein fulminantes Comeback-Album vor – es ist ein Live-Doppelalbum, das einige ungewöhnliche Versionen seiner alten Nummern aus den 1980ern, Stichwort Album „Infected“, enthält. Hat man die alten Songs im Ohr, könnte man – zugegeben als Fan – von den Neueinspielungen vielleicht ein wenig enttäuscht sein. Doch die Nummern sind so gut („Heartland“, „Sweet Bird Of Truth“, „This Is The Day“) , dass sie auch eine Frischzellenkur vertragen, zumal von Meister Johnson selbst verpasst. Empfehlung, oder anders gesagt: Album des Monats!

R.I.P. Charlie Watts! Die Stones werden ohne ihren langjährigen Drummer auf Tour gehen müssen... Ein anderer in Würde gealterter Recke macht einfach weiter: Demnächst erscheint ein neues Album von Billy Bragg, Braggs Stimme ist so markant wie immer, hier ein Vorgeschmack darauf mit einer Single-Auskopplung:
Rens Newland & Fuse Bluezz haben sich mit dem Sänger Ric Toldon zusammen getan, der CD-Titel „Blues Indeed“ gibt die Richtung vor, gekonnt bewegt sich die Truppe im weiten Feld des Blues, mal geht die Post auch in Richtung Funk ab. Den Text zu Track 3, in dem es um Corona geht, hat Sänger Ric Toldon geschrieben, mit „Sneeky C“ ist die Pandemie mit dem königlichen Namen gemeint: „Sneeky C is gonna be around here for a little while“, textet Toldon und auch das Stück „The Balcony Blues“ verweist auf Balkonkonzerte in Lockdown-Zeiten. In den Linernotes steht folgerrichtig: Wir reden nicht nur über die Krise, wir sind inmitten einer Krise. Einige feine Instrumental-Stücke sind auch auf „Blues Indeed“ enthalten – es werden wieder bessere Zeiten kommen und dieses schöne Album wird uns zwischen den Zeilen freundlich an schwierige Phasen erinnern.
Ebenfalls in den Rückspiegel schaut Hhanoi und veröffentlicht mit „No time for idle cares“ ein Album, mit dem ebenfalls nicht zu rechnen war: nach dem letzten ausgewogenen Singer-Songwriter-Album, nimmt sich Hhanoi nun Gedichte von Edgar Allan Poe vor. Die werden mit rockigen E-Gitarren-Riffs und einem kantigen Schlagzeug einfach ins 21. Jahrhundert katapultiert. Das Projekt belegt, dass die rund 200 Jahre alten Gedichte keineswegs angestaubt sind und mit Pop-Rock als Unterlage auch heute Relevanz haben – gut gemacht. Bald geht’s auf eine kleine West-Österreich-Tour, hingehen!

Dazu passend: Vor 5 Jahren ist einer der größten Singer-Songwriter und Poeten Leonard Cohen verstorben. Mit dem Tribute-Abend „So long, Leonard...“ im TAG (28. Oktober, Gumpendorfer Str. 67, 1060 Wien, 20h) wird sein Werk hochgehalten. Passenderweise hat sich Moderator Robert Fischer dazu u.a. die beiden Sänger und Autoren Alfred Goubran und Thomas Andreas Beck eingeladen.

Und wenn wir schon bei Jubiläen sind, hier ein erfreuliches: das Projekt Der Schwimmer gibt es seit 20 Jahren, das wird mit dem neuen Album „A Heaz“ gefeiert. Vor rund 15 Jahren ist das damals hochgelobte Schwimmer-Album „Poplawok“ übrigens bei Lindo Rec. erschienen, siehe lindo.at. Man darf sich auf die nächsten 20 Schwimmer-Jahre freuen!

Vorwärts und rückwärts blickt der US-Sänger und Poet Charlie Parr auf „Last Of The Better Days Ahead“ – Parr stammt aus einer workingclass-Familie, ist Autodidakt an der Gitarre und erzählt von einem Amerika von unten. Zentral ist der Song „Everyday Opus“, der vom harten Arbeitsleben, der Müdigkeit und ein paar Bieren zu viel erzählt. Auf poetische Weise, denn Parr ist Dichter und Musiker. „Ich sehe die Texte mehr als Gedichte“, schreibt er folgerichtig in den Linernotes. Und weiter: Es gäbe einen Moment im Leben, an dem sich der Blickwinkel ändere, ein wenig mehr zurück als nach vorne. Musikalisch werden diese Gedichte spärlich aber intensiv mit Gitarren, u.a. auch mit einer Resonatorgitarre, begleitet, ab und an ist Liz Draper am Bass dabei, nur bei einem Song („Decoration Day“) gibt es auch ein Keyboard und Drums. Tolles Album, das amerikanischen Folk- und Bluestraditionen verpflichtet ist und diese weiter entwickelt. Also dieses Mal: 2 Alben des Monats!

Tolle Songs bietet uns auch Raoul Vignal auf seinem Album „Yours in marble“, die 11 Stücke werden von gezupften Gitarren und orientalischen Instrumenten getragen – eine erfrischend-neue Kombination. Vignal hat eine angenehm-unaufgeregte Stimme und den Bogen songtechnisch raus, zieht seine musikalische Sache geradlinig durch. Wieder: Überraschung gelungen!

Ein Debüt-Album in exklusiver 200-Stück-Vinyl-Auflage: Chris L. Stone stellt sich mit „Almost Analogue“ vor und kredenzt uns 10 Stücke, die mit vielfältigen Synthie-Sounds und Rhythmen daher kommen und in Richtung Elektro-Pop verweisen. Für die späte Stunde im Lieblingsclub, wenn die Beats wummern und zum Tanz auffordern. Humorvoll sind die witzigen Sounds sowieso, die hat man so zum Beispiel in Soundtracks von Bud Spencer & Terence-Hill-Filmen gehört. Sollte etwas für Fans sein von: Aavikko und EWHO (demnächst im Kabinetttheater zu sehen). Zum Abschluss wird’s dank der einzigen Coverversion sogar weihnachtlich, also: als mögliches X-mas-Geschenk vormerken und – an die Regler, ihr RemixerInnen!

Eine humoristische 5-Song-EP hat Granzzla am Start: Track 1, „I würd so gern“, besingt die Zustände der Welt und kommt von der Makro-Ebene auch auf Micro-Ebene des Künstlers, der schlecht hört und daher textet, dass er gerne gut hören würde. Nach dem rockigen „Gestrandet“ spricht „Irgendwann“ wieder aktuelle Probleme wie steigende Meeresspiegel und somit den Klimawandel an – Granzzlas Fazit: die Welt wird sich auch ohne Menschheit weiter drehen. Live gibt's Granzzla übrigens in der empfehlenswerten Reihe im Showfenster am 16. Oktober 2021 in der Kirchengasse in Wien Neubau (ab 15h).


Dieses Mal auch ein podcast-Tipp (jm):

Granzzla: „Gestrandet. Songs from the Deaf Vol. 2" (7/10)
Hhanoi: „No time for idle cares“ (6/10)
Charlie Parr: „Last Of The Better Days Ahead“ (10/10)
Der Schwimmer: „A Heaz“ (8/10)
Chris L. Stone: „Almost Analogue“ (7/10)
The The: „The Comeback Special“ (9/10)
Raoul Vignal: „Yours in marble“ (8/10)

Live:
Reihe: Showfenster, MotMot, Kirchengasse 37, 1070 Wien, 15h bis 17h, u.a. mit Katrin Navessi, Julia Santini, Termine siehe: www.changeover-online.net
Do 14.10.2021: dog & SCHWOAZ, s'Baumgarten, 1140 Wien
Do 28.10.2021: Tribute-Abend „So long, Leonard...“ im TAG (Gumpendorfer Str. 67, 1060 Wien, 20h) Nabil aka Alfred Goubran, Thomas Andreas Beck, Günther „Bus“ Schweiger, www.dastag.at
Fr 29.10.2021: Laura Rafetseder, Präsentation „The Early Years“, Cafe Amadeus, Märzstr. 4, 1150 Wien, 20h

Do 11.11.2021: Buchpräsentation, Wolfgang Kiechl, Palais Palffy, 19h, Anmeldung, siehe: www.changeover-online.net
Fr 19.11.2021, 19 Uhr, CD-Präsentation Christian Masser, 17ten, Haslingergasse 4, 1170 Wien
Di 23.11.2021: Herald K, The Wichita, Bezirksmuseum 1030 Wien, 19h
Do 26.11.2021: Songwriter-Lounge, u.a. mit Katie Kern, Andre Blau, Nabil, Arena Bar, Margaretenstr. 117, 1050 Wien, 20h